7. August 2013

FRANCES HA

Noah Baumbach  (USA, 2012)
Die Jungen Wilden kommen. Sind zumindest am Horizont sichtbar. Noah Baumbach gehört zu ihnen und erzählt in kleinen Bildern von noch kleineren, alltäglichen Dingen und greift doch nach den großen Fragen. Er reduziert Form und Inhalt, nimmt sogar die Farbe heraus, schafft im Grunde nichts, was es nicht schon längst gegeben hat, bleibt aber dennoch originell und bekommt es hin, den wörtlich so ausgelutschten und dennoch stets vermissten frischen Wind hereinwehen zu lassen.
"Frances Ha" ist Mehreres zugleich. Jim Jarmusch vollbringt öfters etwas ähnliches, bloß wird bei ihm weniger getanzt und es gibt bei ihm auch keine Eames-Stühle in den Wohnungen. Baumbachs Film ist eine Verbeugung vor Woody Allens Schwarzweiß-New York, dem intellektuellen Drang des Stadtneurotikers innerhalb seiner Charakterzeichnung und dem, was auf den Bücherregalen steht, wenn man in die Zimmer der Figuren blicken darf. Doch für einen Woody Allen-Vergleich sind die Charaktere dann doch zu anders, lungern zu sehr herum. Besonders die Hauptfigur ist viel zu haltlos, zu frei, zu unabhängig, irrt eher stumm und alleine durch die labyrinthischen Straßen. Sie irrt nicht nur, sondern tänzelt auch gerne, bis selbst New York nicht mehr ausreicht und sie ihre Suche nach Allem und Nichts sogar bis nach Paris ausdehnt.
Eine Geschichte gibt es nicht, denkt man. Oder eben doch, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, dass hier die Kamera auf das pure Leben gerichtet ist. Alles bleibt banal und alltäglich, entwischt auch selten aus dieser Starre. Das Menschliche Miteinander, Kommunikation, Kommunikationsarmut, Kommunikations-Versuche per iPhone, die obligatorischen Elternbesuche, die für schöne Momente sorgen, noch mehr überfüllte Straßen, nasser Asphalt, nachts beleuchtete Kneipenfenster, Wohngemeinschaften, Freunde die vorbeikommen, Freunde die wieder gehen. Mitten drin immer Frances (Greta Gerwig), die Enttäuschungen einsteckt, die ewige Tänzerin und Träumerin, frei und doch gefesselt. Mal läuft sie, mal tanzt sie, mal hält sie still, mal stolpert sie und fällt hin, um doch noch wieder aufzustehen.
Wenn man mit den Augen im falschen Moment blinzelt, verpasst man die Mini-Szene mit dem Brettspiel. Weniger eine Szene als ein filmischer Moment, in all den angehäuften Impressionen. Jedenfalls sind die Spielfiguren in ihrer unerschütterlichen Logik aufgestellt und Frances sitzt davor, mit einer Freundin als Spielgegner. Doch die junge Heldin mag diese Ordnung nicht; diese festgefahrene, Spielentwicklung, die ihr bevorsteht. Sie greift ein und schmeißt die aufgestellten Figuren um, erschafft Unruhe, Chaos, durchbricht den konventionell vorgegebenen Weg. In diesem Moment haben wir vielleicht auch Frances' Wesen in vollendeter Form. Alles in dieser Szene versammelt, konzentriert und wieder ausgespuckt.
"Frances Ha" bleibt dennoch fern vom Meisterwerk. Der Film schwimmt zwar gegen den Strom, bloß nähert sich zu oft der vertrauten Küste, anstatt von stürmischen Wellen mitgerissen zu werden. Denn er kann sich in seinem ambitionierten Bedürfnis nach narrativen Minimalismus unangenehm aufdrängen und in seinem bis auf die Knochen abgenagten Nicht-Humor, letztendlich viel weniger witzig erscheinen, als er es vielleicht beabsichtigt. Aber unabhängig davon, welche Methoden er nutzt, es gelingt ihm dennoch zu rebellieren, weil er aus einem dichten Urwald herauslugt, den Hals reckt, gar in die Weite schaut und mit seiner erfrischenden und gleichzeitig altmodischen Filmsprache vielleicht so manch ein kommendes Filmprojekt prägen könnte. Er ist eine lyrische Schwarzweiß-Skizze, die übertrumpft werden will.

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