19. Mai 2011

DOGTOOTH

Giorgos Lanthimos (Griechenland, 2009)
Zuallererst freut man sich endlich (wieder) etwas aus Griechenland zu sehen, fragt sich aber augenblicklich, weshalb ein Land mit einer so alten und einflussreichen Kultur eine kaum nennenswerte Filmtradition vorzuweisen hat, wie so viele andere europäische Länder.
Aber zurück zum Thema. "Dogtooth" erzählt die verstörende Geschichte dreier Geschwister, die von der Außenwelt völlig abgeschottet im Haus ihrer finanziell gut positionierter Eltern aufwachsen. Wobei: Aufwachsen und Erziehung sind die falschen Begriffe; das ganze ähnelt eher einem Experiment beider psychisch kranker Elternteile, die ihren erwachsenen Kindern ein völlig verqueres Weltbild vermitteln, in dem sie die Region außerhalb des eigenen Hausgrundstück zur Gefahrzone ausrufen, die niemals betreten werden darf. Draußen lauert das Böse, es darf dort (wortwörtlich) kein Fuß auf den Boden gesetzt werden.
Die befremdlichen, pädagogischen Maßnahmen beruhen vor allem auf einer absichtlich falsch vermittelten Benennung von Alltagsobjekten: wenn eine der Schwestern beim Essenstisch nach dem Salzstreuer verlangt, fragt diese, ob sie das Telefon haben könnte, woraufhin ihr die Mutter das Salz reicht. Fragt der Sohn seine Eltern was ein Zombie ist, wird ihm erklärt, es handelt sich dabei um eine wunderschöne, gelbe Blume.
Hier geht es um falsch vermittelte Werte, die sich dank der Abschirmung von der Außenwelt ausprägen konnten. Die Eintönigkeit des Daseins führt unweigerlich zur Aggression, Selbstverstümmelung und sogar Inzest. Und die Geschwister bleiben bei allem emotional abgestumpft, reden und agieren wie trainierte Maschinen, erschrecken vor jeder Neuentdeckung innerhalb ihrer kleinen Welt, sind sich aber letztendlich dessen bewusst, dass es auch ein Leben hinter den erbauten Mauern geben muss. Ihre Neugier lässt sie von Tag zu Tag immer mehr hinter die verschlossenen Türen und Gartenhecken schielen.
Zuerst wirkte der Film auf mich recht gekünstelt, zu sehr inszeniert und zu sehr visuell durcharrangiert, doch seine befangene und erstarrte Art erweist sich schließlich als die einzige mögliche Methode, um diese tieftragische Geschichte zu erzählen.

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