22. Dezember 2011

DER GOTT DES GEMETZELS

Roman Polanski (Frankreich, Deutschland, Polen, 2011)
Polanskis Filme hängen alle stark durchgespannt an einer massiven Kette, denn wenn auch die Geschichten, Schauplätze und Figuren variieren, neigt Polanskis bereits seit den frühen 60ern ein bestimmtes Element zu wiederholen. Gemeint ist damit seine Vorliebe, heimischen Orte, vordergründig Mietwohnungen, als körperliche aber vor allem seelische Gefängnisse für seine Figuren auszuwählen und dafür zu sorgen, dass sie aus ihrem Käfig nicht mehr so schnell herauskommen.
Ob "Ekel", "Wenn Katelbach kommt", Rosemarys Baby", "Der Mieter", "Der Tod und das Mädchen", selbst "Der Pianist"; es ist ein ständiger Kampf mit den unmittelbaren Mitmenschen, die Verteidigung des eigenen Territoriums, oder die Überwindung der Einsamkeit und Abschottung. Die Probleme (bzw. die Handlung), deren Lösungen unerreichbar erscheinen, wachsen aus den Figuren heraus und brauchen oft keine zusätzlichen Schauplätze, bzw. sehr wenig an physischem Raum um sich völlig zu entfalten.
Nun serviert uns der gebürtige Pole seine filmische Umsetzung des Theaterstücks von Yasmina Reza, um diese Thematik kammerspielartigen Beisammenseins oder des miteinander Auskommens restlos auszuschöpfen.
Bis auf den kurzen Prolog und Epilog, die der Handlung in ihrer Distanziertheit den Anstoß geben und sie zum Schluss auflösen, bleiben wir durchgehend mit den vier Figuren in der Wohnung. Wie es Polanski dabei schafft, seine Darsteller so an die einseitige Location zu nageln, dass auch der Zuschauer durchgehend gefesselt bleibt, gehört wohl zum lang erprobten und stets verlässlichen Polanski-Mysterium. Wie oft stehen die beiden Besucher wieder an der Türschwelle und somit auch an der Schwelle zum erzählerischen Umschwung und einem visuellen Bruch, doch die Geschichte wirft ständig ein Lasso nach ihnen und zieht sie wieder in die Wohnung. Das Problem (der Streit der Kinder beider Parteien, bei dem der Sohn des Gastgeber-Paares verletzt wurde), muss in den vier Wänden gelöst werden; das Wohnzimmer ist der Kampfring; ein einziges Wortgefecht ergänzt durch Kate Winslets spektakulären Kotzanfall. Die Erwachsenen sind die wahren Kinder, die sich blind im Kreise drehen.
Nach diesem Film kann man jedenfalls wieder zugeben, Polanski-Fan zu sein; Sünden wie "Oliver Twist" oder "Neun Pforten" werden hiermit (fast) wieder vergeben.

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