6. Februar 2012

THE ARTIST

Michel Hazanavicius (Frankreich, 2011)
Ein Film wie „The Artist“ hat das unvermeidliche Privileg des unantastbaren Kunstwerks, dem alle Türen offen stehen, um seine Mitstreiter hinter sich zu lassen und sich hochnäsig aufs höchste Podest zu stellen. Seine Andersartigkeit ist beinahe etwas unverschämt, weil er sich mit vollem Gewicht auf die Aura der Nostalgie stützt und mit diesem Stil zu einem unverwundbaren Monster wird. Ein Film, der sich zielstrebig und mit erhobenem Kopf dem Gegenwartskino quer stellt. Er wählt den schonungslosen Weg der Wiederbelebung und der Hommage und tut dies mit Würde und Eleganz.
Seine Geschichte ist auch schnell erzählt, denn er erinnert an eine Tragödie vergangener Filmtage: die Vergänglichkeit der glanzvollen Stummfilm-Ära und wie sie für den Tonfilm Platz schaffen musste. Diese Revolutionierung des Unterhaltungsmediums, an dem viele zweifelten (etwa Chaplin in seinem langen Essay) und an dem noch mehr scheiterten. Man holte neue Gesichter mit Stimmen und ließ die alten stummen Helden selbst entscheiden (wie George Valentin in diesem Film), ob sie sich dieser Erneuerung beugen wollen/können. Wenn nicht, dann ließ man sie fallen, die großen Stars vergangener Tage und sie verkamen langsam aber sicher, abgeschieden in ihren archaischen Luxusvillen, wie schon früher Norma Desmond in Wilders „Sunset Boulevard“.
Der sture George Valentin erleidet das gleiche Schicksal und wird zu alldem von seiner Herzensfrau und Konkurrentin, Peppy Miller überholt, die dem Tonfilm ihren wahren Durchbruch und Ruhm zu verdanken hat.
Michel Hazanavicius soll über 150 Stummfilme konsumiert haben, bevor er an die Arbeit an seinen Film ging; das sieht man natürlich in jeder Sekunde Spielzeit: Der Regisseur weiß diese filmische Periode bis ins kleinste Detail zu kopieren.
Und wenn man „The Artist“ wegen Überstilisierung, fehlendem Eigenleben und der akribischen Wiederholung bloßstellen will, wird er vielleicht trotzdem so manch einem die (Film)Augen öffnen, der bis dahin den echten Stummfilm ignoriert hat. Der größte Wert besteht vielleicht auch darin, bewiesen zu haben, dass der Film als solcher heutzutage immer noch ungewöhnliche Wege einschlagen kann.

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