16. Dezember 2010

EMIR KUSTURICA

Längst fällig: ein paar warme Worte zu dem 1954 in Sarajewo geborenen Emir Kusturica loszulassen; dem balkanischen Wunderkind, der einem Collagekünstler gleich, seine Filme aus einer unerschöpften Ideenquelle zusammensetzt. Drehbücher sind eine Behinderung, denn neue Ideen kommen während des Drehs wie am Fließband. Für Filmproduzenten ist das zum Haareraufen, für uns Zuschauer eine rasante Unterhaltunsgarantie.
Endlose Einfälle, mosaikartig eingebettet in kleine Zwischenfälle, meistens sich nur im Hintergrund abspielend, weisen auf den Geist eines Erfinders hin, weniger auf den eines Filmemachers. Logische Abfolgerungen von kleinen gegenständlichen Zufällen, oftmals durch Menschenhand beeinflusst. Ein Ideenreichtum, dessen Grenzen mit Leichtigkeit überschritten werden und ins Surreale übergehen.Doch auch Kusturicas Kino hat seine Schattenseiten. Die offenbaren sich bei mir leider letztens immer häufiger, je mehr Filme ich von ihm sehe.
Denn mit der Zeit stellt man fest, dass Kusturicas Kino ein brodelnder Eintopf ist, der zum Überschwappen droht. Seine Geschichten, mal vulgär, mal poetisch, verlieren an Überzeugungskraft und büssen ihre Originalität und Ausdruckskraft schnell wieder ein, gerade weil der Regisseur die narrativen Grenzen dermaßen herausfordert und seine selbst erschaffene Welt, die von karikaturhaften Figuren besiedelt wird, nicht mehr zügeln kann. Mit jedem weiteren Film, den er dreht, wird der längst übersüßte Kuchen immer deftiger; die Glasurschicht immer dicker und bunter. Aber sicherlich passt diese Art zu ihm selbst. Vor allem was den oft ordinär-abgegriffenen Humor angeht. In der Doku "Super 8 Stories" sieht man schließlich Kusturica, als den grobgeschnitzten Gorilla, der sich gerne mit Bandkollegen rauft, wie ein 10jähriger Schuljunge.
Anderseits war irgendwie bisher fast alles gut oder sogar großartig (vor allem "Underground" und "Time of Gypsies") und auch seine ersten Schritte wie "Erinnerst du dich an Dolly Bell" und "Papa ist auf Dienstreise" waren schöne Filme; vielleicht war da der Kuchen noch nicht so verdorben. „Ariona Dream“ ist vermutlich eine Art Einstiegsfilm, "Schwarze Katze.." kochte schon zu sehr in seiner vollkommen überzeichneten Weise und "Versprich es mir!" war der Gipfel der Überstilisierung, da ging gar nichts mehr. Kusturicas Kino das ist, als würde man auf der Flucht vor einem wilden Bären in Begleitung einer Zigeunerkappele einen Berg hinunterlaufen und dabei ständig Gänseherden ausweichen müssen. Ein gutes Gefühl, aber manchmal möchte man auch verschnaufen.

Keine Kommentare: