20. Dezember 2012

ALEXIS SORBAS

Michael Cacoyannis (Griechenland, UK, USA, 1964)
Griechenlands Vorzeigefilm, Aushängeschild und wahrscheinlich größter Klassiker. Letztens den Roman aufgestöbert; was Cacoyannis daraus gemacht hat, ist vielleicht noch besser, zumindest filmgeschichtlich von großer Bedeutung.
Alan Bates (hier als der junge Schriftsteller Basil) erbt ein Kohlebergwerk auf Kreta und begegnet am Hafen dem Namensgeber dieser Geschichte, Alexis Sorbas, auch bekannt als Anthony Quinn; Figur und Darsteller gehen nahtlos ineinander über, denn Quinn spielt nicht nur Sorbas, sondern IST auch Sorbas. Selbst wenn man den Wälzer von Kazantzakis aufschlägt, hat man sofort die griechische Schauspielerlegende vor Augen; sich als Leser ein anderes Gesicht vorzustellen bleibt eine kreative Meisterleistung.
Von nun an sind Basil und Sorbas unzertrennlich. Als jungem, unerfahrenen Grünschnabel, bleibt Basil nichts anderes übrig als Sorbas' aufdringliche Art hinzunehmen und ihn als Arbeiter für das Bergwerk zu engagieren.
Basil ist der reservierte Jungspund im Spießerlook, der körperliche Arbeit kaum gewohnt ist, der allem misstrauisch und mit Vorsicht entgegentritt. Sorbas ist der grobgeschnitzte Riese, der sein Herz nach außen trägt, der das Leben kennt und am Schopfe packt, der immer geradeheraus ist und kein Blatt vor den Mund nimmt. Er ist der Wahnsinnige, Prophet und Philosoph in einem. Dank des Aufpralls dieser zweier Gegensätze wächst und gedeiht die Geschichte und beweist uns, wie sich die beiden Gegenpole doch stets zu ergänzen wissen.
Die Kohlemiene ist zunächst ein dunkles Loch voller Staub und Geheimnisse, sie auf Vordermann zu bringen und eine Seilbahnkonstruktion für den Baumtransport zu errichten, ist der Auslöser für die Handlung. Die beiden Männer lernen einander besser kennen und Sorbas erklärt Basil wie man lebt, gar wie man liebt, zumindest versucht er es, in dem er seinen Freund mit der Witwe Surmelina (Irene Papas) zusammenbringen will, dem mysteriös-schönen, beinahe wortlosen Charakter dieses Filmes. Sorbas selbst hat sich mit Madame Hortense zusammengetan, einer alternden, französischen Offizierskurtisane, die jedoch viel stürmischer den Inhalt ihres Herzens vor ihm ausschüttet, als es Sorbas lieb wäre.
Das besondere an dem Plot ist, dass die beiden Liebesgeschichten stets parallel aber zaghaft nebeneinander herlaufen, jedoch am Ende unerfüllt bleiben. Der Zuschauer kann nur zuversichtlich nach dem klassischen Näherkommen lechzen, doch der romantische Zauber bleibt uns verwehrt, weil der jungen Witwe mitten auf dem Dorfplatz die Kehle durchgeschnitten wird (als monströser Racheakt der Dörfler... was für eine Filmszene!) und die alte Französin krank in Sorbas Armen stirbt. Alles geht in die Brüche, selbst die Seilbahn an der Kohlemiene, eine unnützige Fehlkonstruktion, doch Sorbas und Basil überstehen am Ende all die Not und herben Schicksalsschläge und tanzen gemeinsam den berühmten Sirtaki-Tanz am Strand.
Und man fragt sich weiterhin, warum Griechenland mit seiner uralten Kulturtradition, trotz dieses großen Klassikers als Filmland ein weitgehend unbetretenes Territorium bleibt. Viel zu selten dringt von dort etwas zu uns hindurch, dabei kann sich ein Film wie Cacoyannis' Sorbas-Verfilmung praktisch unauffällig in den italienischen Neorealismo einreihen. Rossellini und de Sica sind da nicht weit entfernt; die Themen sind ähnlich rauh, die s/w-Bilder von ähnlicher archaischer Schönheit, und sowohl die großen Italiener als auch Cacoyannis, kleben ihren Figuren (bzw. den Menschen) direkt an den Fersen.

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